19. August 2011
Donnerstag Abend um 22 Uhr hab ich mich hingesetzt um einige der Eindrücke der Letzten Tage niederzuschreiben. Freitag vor einer Woche sind wir in Sucre angekommen. Die erste Woche im Projekt haben wir noch frei bekommen um uns in Bolivien – Sucre – CEMVA einzufinden. Zugleich durch den Alltag und das reinschnuppern bereits unheimlich viel Erfahren. Über einiges würde ich gern detaillierter schreiben, bin nun aber erstmals froh das zumindest etwas hier zusammengekommen ist.
Ankunft in Santa Cruz
Nach 10 stündigem Aufenthalt in Sao Paulo Sao fliegen wir weiter nach Santa Cruz. Eine Stadt die ihrem Ruf, dass sie sehr westlich sei, gerecht wird. Dabei meint man nicht Ordnung, Sauberkeit und Struktur sondern vielmehr die Kleidung, Marken und die Lebensweise die dem Westen nachempfunden ist.
Generell besteht die Stadt aus einigen prunkvollen Parks neben Vierteln, die aus Baracken bestehen, in welchen sich zwischen zerfallenden Häusern Nobelboutiquen befinden. Der Großteil der Stadt sowie die riesigen Märkte, an denen sich die Menschen versuchen ihren Lebensunterhalt zu sichern, zeigt mir ein Armutsgesicht. Mit dem Taxi über den großen ausgetrockneten Fluss gelangt man in eine Gegend in der sich Herrschaftshäuser ansatzweise hinter Mauern, Stacheldrähte und Wachpersonal erkennen lassen. Hier leben die Reichen in einer eigenen Gemeinde, abgetrennt von außen, in ihrer eigenen Welt. Ein Symbol für Bolivien das als Land der Extrem gilt, dazu gehört der Bezug auf die Schere zwischen Armut und Reichtum.
Busfahrt nach Sucre und Ankommen
In einer 15 ½ stündigen Busfahrt geht es über Nacht nach Sucre. Der Weg ist größtenteils nicht geteert (angeblich sind nur 4% der Straßen in Bolivien geteert). Waren wir von den Flugstrapazen maturiert oder war der schlecht aussehende Bus doch besser wie befürchtet… auf jeden fall kamen wir guter Dinge Morgens in Sucre an. Das wir nicht eine Reifen- oder Motorpanne hatten war wohl großes Glück.
Von Fr. Hochmann, eine bereits ältere Dame zugleich „General“ des Projektes, werden wir in Sucre begrüßt und zugleich ein wenig eingeführt. Den Rest übernehmen Sebastian, ein deutscher Auswanderer und Leiter der Metallwerkstatt, sowie Gespräche mit alten Freiwilligen die noch bis Ende August hier sind.
Von Ihnen bekommen wir unter anderem den Stadtkern von Sucre und den rießigen Mercado gezeigt. Sucre ist zwar nicht wie man eine Großstadt, von Europa her, gewöhnt ist aber im Vergleich zu Villa Armonia wo wir leben doch sehr Sauber und Ordentlich.
Villa Armonia
Villa Armonia ist ein Stadtviertel von Sucre, hier befinden sich die verschiedene Einrichtungen von CEMVA. Vor wenigen Jahren war die Gegend noch Menschenleer, die Umgebung verwildert. Heute zieht sich eine geteerte Straße von Sucre hoch. Durch die Schule ist innerhalb kurzer Zeit das Stadtviertel massiv gewachsen. Heute stehen an schlecht gepflasterten Straßen mit Mörder-Steigungen unverputzte „Häuser“ aus Lehmziegeln. Manche zu Ende gebaut, manche schon wieder erodierend, da sie nur aus Torfsteinen gemauert sind. Die Landschaft besteht gerade aus sehr trockener, staubiger, roter Erde. Hunde sitzen mindestens 3 in jeder Straße und posieren, gerade Nachts, einem sehr bedrohlich auf. Schafe, Schweine, Hühner, Ziegen und manchmal sogar Kühe laufen frei durch die Gegend. Die Menschen arm aber freundlich.
Donnerstag – ein Mustertag der ersten Woche
Morgens um 9 Uhr beginnt unser Spanischunterricht mit Juan Jose. Er reist extra für unseren Unterricht aus Sucre an wofür man mit dem Bus gut 30 Minuten braucht. Mit Esther bilde ich die zweite von drei Spanischgruppen. Unabhängig von der Schüleranzahl bekommt Juan 30 Bolivianos für seinen Unterricht – Umgerechnet sind das 3€, die wir in unserem Fall zu zweit berappen! Diese Woche haben wir jeden Morgen Unterricht, danach müssen wir uns nach unseren Arbeitszeiten richten und werden vermutlich zwei mal die Woche teilnehmen.
Gegen 12 Uhr finden wir uns im Comedor (Essraum) ein. Hier decken wir den Tisch für ca. 60 Kinder. Diese zahlen für den Monat 60 Bolivianos (6€) – zu einem Teil werden die Kosten für die Ärmeren von CEMVA sowie dem Privatvermögen der bisherigen Freiwilligen übernommen. Um 12:30 beginnt das Mittagessen mit einem Gebet, danach verschlingen die Kinder ihre Portionen mit einer wahnsinnigen Geschwindigkeit. Dieser muss ich mich zum Teil anschließen, da sich vor einem meist Berge auf dem Teller befinden und diese aufgegessen werden müssen – Wettrennen gegen das Sättigungsgefühl! Mit einem Kugelrundenbauch und schmerzverzerrtem Gesicht hab ich’s bisher gewonnen. Für die Kinder ist es fast immer die einzig richtige Mahlzeit am Tag, die sie bekommen.
Um 14:30 gehen Esther und ich mit Frau Hochmann gemeinsam zu Villa Armonia B. Hier befindet sich; ein Gesundheitszentrum, eine Guadería (Kleinkinderbetreuung) und eine Schülerbetreuung. Von den Kindern werden wir zunächst zurückhaltend aber freundlich begrüßt; Como te llamas (wie heißt du), a mí ayuda (hilfst du mir) und lugamos (spielen wir) sind 6 Wörter die ich versteh – unter tausenden von anderen. Dennoch gelingt es mir ganz gut ihnen das Schreibschriftschreiben, malen, rechnen und im Wörterbuch nachschlagen (nach Wörter die ich nicht kenne) beizubringen. Wir spielen Fußball, Basketball und holen zuletzt noch die Brötchen beim Bäcker (jedes Kind bekommt am Ende eins).
Um 18 Uhr geht es, dieses Mal nur zu 5+Taxifahrer (letztes Mal waren wir zu 7+TF, wobei noch viel platz für weitere bestand) zum Tanzkurs. In der letzten Stunde haben wir Salsa mit zahlreichen Schritten gelernt, diese wiederholten wir heute und transportierten die Figuren auf einen anderen Tanzstill.
Ocho y media (8:30) haben wir ausgemacht, um 9 erscheinen wir, da ist nur einer. Brüchiges Spanisch reicht nicht zur Konversation aus, auf ¿vamos bailando? (fangen wir mit tanzen an?) mit einem si (ja) zu begegnen lässt uns das träge Gerede umgehen.
Ein Micro Bus stellt sich quer über die Straße, die wir nun für uns haben, die wenigen Autos müssen auf der Gegenfahrbahn vorbei. Es gibt einen Grundschritt und zahlreiche Variationen die man mit den Armen machen kann; Applaus anfordern, Muskelprotzen, posieren, Küsse verteilen, einen Schwul imitieren, der Kondor, ….
Mittlerweile sind wir zu 10, um uns scharen sich die Zuschauer. Bolivianer leben auf der Straße, schauen zu, grinsen, lassen ihren Tag ausklingen. Kinder mischen sich unter die Tanzende Gruppe, machen uns was vor… das ganze muss man am besten selbst erleben!
In einem Monat ist die Entrada, ein großer Umzug vor Karneval der als Generalprobe dient, wir werden dabei sein – Bilder wird es bestimmt geben, vllt auch hier ;-)