Nach gut 2 1/2 Monaten haben wir endlich Postfach, Internet, Waschmaschine und eine Sofagarnitur. Wasser steht in Massen abgefüllt unter dem Spülbecken, Kerzen liegen auf dem Regal bereit und die Gegend kennen wir langsam besser wie manch Taxifahrer. Damit sind wir bestens gewappnet für künftige Wasser-, Stromausfälle und Autofreie Tage.
Das anfänglich Bild von einem chaotischen, ungeordnetem Sucre weicht dem durch unsere Erfahrungen, so wird aus Fremde allmählich Heimat.

Postadresse
Correo Central – Tobias Fischer
Calla Ayacucho esq Junin s/n
Alquiler de Casilla #660
Sucre
Bolivia
Skypekontakt
Tobi.Fischer
toby_89@gmx.de
Handynummer
00591/72865143

Casa weltwärts
„Casa weltwärts“ steht über der Eingangstür welche durch einen kurzen Gang in einen Innenhof führt. Von dort sieht man auf einen Garten in dem Gemüse angelegt ist, eine Werkstatt mit angrenzendem Lager, in dem sich handgemachtes Spielzeug häuft, und auf eine Wohneinheit. Das Erdgeschoß ist von Miguel (Ziehsohn von Karen Hochmann) und Familie Puma, welche die Spielzeugproduktion führt, bewohnt. Zu den 2 Töchtern und Söhnen, ist letzte Woche noch ein kleines Mädchen dazugekommen. So sind es jetzt 5 lebensfrohe, muntere Kinder, im gesamten eine sehr sympathische Familie.
Die 2te und 3te Etage ist schließlich unser Domizil, in welchem wir sehr, sehr gut leben! Neben Küche, Gemeinschafts-/ Essraum, 2 Badezimmern und einem eigenen Zimmer haben wir noch eine kleine Terrasse. Dem Umstand das Armutsgebiet in Südamerika an Stellen entstehen an welchen sich in Deutschland Villen zieren verdanken wir einen Ausblick über Sucre, den 2 Hügeln (Wahrzeichen) und den nahen Gebirgskordilleren.

Die 2 Haushügel von Sucre

Cerro sica sica y churuquella

Ein- und Ausblicke meines Zimmer

Comedor Escolar

Der Comedor Escolar ist Schülermittagstisch und –hilfe zugleich, außerdem mein Einsatzgebiet.
Das Bolivianische Schulsystem führt zweigleisig, für eine Schülergruppe am Morgen und eine am Nachmittag, Unterricht. So bietet sich der Comedor Escolar als Lern- und Betreuungsort von 9-11 und von 14-16 Uhr an.
Hilfe benötigen die Kinder vor allem beim abzeichnen von Bildern/ Grafiken (elementarer Bestandteil ihrer Hausaufgaben), Mathematik und Englisch.
In Mathematik verblüffen mich immer wieder die Methoden wie sie ohne Taschenrechner auf einfachste Weise den gemeinsamen Nenner finden, die Wurzel einer 8-stelligen Zahl ausrechnen oder Rechenergebnisse überprüfen. Eine Formelsammlung mit Gesetzten existiert nicht dafür gibt es einen Text mit einem Beispiel.
Imaginäre Zahlen, ein Themengebiet das wir kurz nach dem Abitur behandelten, wird hier in der 8ten Klasse unterrichtet und innerhalb der Analysis gibt es schon wieder Rechenschemen die einem das Denken ersetzen. Dadurch fehlt den Kindern/ Jugendlichen oft schon für die naheliegensten Mathematischen zusammenhänge und Überlegungen das Verständnis….
In englisch auszuhelfen bedeutet oft gesamte Fragestellungen und Texte für sie zu übersetzen um diese anschließend selbst zu beantworten, da einige in der 8ten Klasse noch nicht einmal Standardsätze wie „My name is …“ auf die Reihe bekommen.
Vielleicht ist am Lehrplan nicht alles so negativ und schlecht wie ich es momentan wahrnehme aber vielleicht ist es einfach noch ein Indikator für „Hallo Entwicklungsland“.
In den Stunden zwischen 11 und 14 Uhr verwandelt sich der Lernraum in eine Mensa. Für ca. 70 Kinder servieren wir täglich das Essen, beaufsichtigen sie beim abwaschen, zähneputzen und säubern um am Ende den Comedor wieder für die Nachmittagsgruppe zu öffnen.

El Comedor Escolar

Comedor Escolar 2

Entrada de Mamita
Die Entrada de Mamita ist mittlerweile schon eine Weile her jedoch auf jeden Fall einen kleinen Bericht Wert.
Eine Entrada bezeichnete einen Festumzug und wie ich mittlerweile das Gefühl bekomme die Art und Weise in Bolivien zu feiern. Die Mamita ist die Schutzheilige von Sucre, mehr darüber weiß nur keiner so recht. Spätestens am 9. September erfahren auch wir, um Kultur und Geschichte geht es bei dem größten Fest und Umzug des Jahres in Sucre nicht.
Von den frühen Morgenstunden bis in die Nacht hinein macht sich Tanzgruppe für Tanzgruppe, von der Recoletta Richtung Placa Mayor, auf einen 4km langen und mehrstündigen Tanz.
Was Entrade de Mamita wirklich bedeutet wissen wir als wir, nach 8h tanzen, posieren, Interviews geben, hysterisch kreischenden Mädels bzw. gönnerischen Jungs mit Kokagefüllten Backen vor einem riesigen Gemälde der Mamita ankommen und damit das Ziel erreicht haben.
Mehr sprechen mit Sicherheit die Bilder welche ich noch hoch laden möchte, sobald wir sie erhalten. Nur wenn ich schon lange für das schreiben eines Blogs brauche, die Bolivianer haben nochmals eine ganz eigene Zeiteinheit ;-).

"Traditionelle" Tracht von Potols

Die kleinsten unserer Tanzgruppe

Voluntarios y Amigos

Am Rande
Wir leben hier auf geräumigen Raum was zumindest für die meisten Leute aus Sucre und Umgebung nicht selbstverständlich ist. So haben zum Beispiel die Pumas bisher zu 6 in 2 Betten geschlafen und erst seit dieser Woche ein Hochbett mehr um auch künftig zu 7 in ihrem einzigen Schlafzimmer platz zu finden.
Wenn die Bilder oft gut aussehende Häuser zeigen dann sind das meist Gebäude des Projektes aus deutschen Spendengeldern. Die meisten Menschen am Stadtrand leben doch auf sehr engem und ärmlichen Raum (davon möchte ich noch Bilder machen und bereitstellen!)
Freude über fließendes Wasser, Strom und einen Internet-Surfstick zeigt, das sich die Definition von Luxus für uns dennoch deutlich verändert hat. Das besitzen einer Waschmaschine ist für hier, die Präferie/ den Stadtrand, nicht üblich und daher auch Luxus. Sie hat uns innerhalb der Projektleitung, trotzdem dass wir sie selbst repariert haben, Kritik eingebracht, da wir damit deutlich über dem örtlichen Maßstab leben. Allerdings ist sie Zeit- wie Wassersparender als eine Handwäsche.
Gegenüber der Armut, die Menschen durch ihre Geburt willkürlich trifft, war Strom und vor allem Wasser bisher für mich eine nahezu selbstverständliche Ressource was sie mit Sicherheit nicht sind!

Soweit einmal. Nächstes Wochenende gehen wir mit einer kleinen Gruppe nach La Paz und von dort weiter in die Yungas zum Wandern.

Finally - Liebe Grüße :)